Joly-Treppe, Eisenwerk Wittenberg
Baujahr: 1898 | Architekt: Carl Fischer | Bauherr: Baugesellschaft Plauen GmbH
Die Hainstraße 4 vor der Sanierung
Historische Ansicht
Die Hainstraße 4 nach der Sanierung
Aufgrund des um 1900 vorherrschenden, außerordentlichen Mangels an für die Gesundheit verträglichem und bezahlbarem Wohnraum wurde die Baugesellschaft Plauen GmbH gegründet. Sie errichtete ab
1896 den einheitlich erscheinenden Straßenzug Hainstraße, Dobenaustraße und Haußnerstraße. Er bildet das Karree einer Arbeiterwohnhaussiedlung.
Die Gestaltung der Außenfassaden weist ein Wechselspiel von Klinkern und Werksteinverzierungen auf. So findet man Gestaltungselemente wie Lisenen, Quaderungen, Konsolen, Friese und
verschiedenartige Gesimse. Da das Gebäude Hainstraße 4 den Kopfbau des Straßenzuges bildet, wurde die Hausecke turmartig ausgebildet. Grünglasierte Ziegel runden das Erscheinungsbild ab. Das
Mietshaus wurde in den Obergeschossen ausschließlich zu Wohnzwecken genutzt. Im Erdgeschoss befanden sich eine Bäckerei, eine Materialwarenhandlung und eine Fleischerei mit Schlachthaus und
Wurstküche.
Das Gebäude war bis in die 1990er Jahre bewohnt. Darauf folgte ein langer Leerstand, der die Gebäudesubstanz
massiv schädigte. 2010 erfolgte die Generalsanierung, bei der neben einer hochwertigen Innenausstattung aucheine Balkonanlage angebaut wurde. Als besonderes inneres Detail gilt die gewendelte
Podesttreppenanlage. Diese im Eisenwerk Wittenberg erfundene schmiedeeiserne Treppenbauweise wurde 1890 weltweit unter der Bezeichnung „Joly”-Treppen, benannt nach Hubert Joly, dem Gründer des
Werkes, patentiert. Die Vorzüge dieser Konstruktion lagen in der unkomplizierten Montage. Zeitaufwändige Verlaschungen, Vernietungen oder gar Verschraubungen entfielen. Außerdem wirkten auch die
einfachsten Ausführungen äußerst dekorativ, was beim Betrachten der Anlage auch heute noch zutrifft. Ein weiterer und somit für die Baubehörden wichtiger Vorteil war die Feuersicherheit. Bis zum
Ende des 19. Jahrhunderts wurden vielerorts die altbewährten Holztreppen
eingesetzt, die im Brandfall aber zur Todesfalle wurden. Es ist bemerkenswert, dass die auf den Weltausstellungen in Chicago 1893 und Antwerpen 1894 preisgekrönte Treppenbauweise noch heute in
einem Plauener Mietshaus ihre Dienste erfüllt.